Mode und Morde

Erschrecken und verunsichern: Antimilitaristische Bildmontagen von Rudolph Bauer in Berlin

Der expressionistische Maler und Dichter Otto Nebel (1892–1973) veröffentlichte 1926 die Schrift »Die Rüste-Wüste«. Darauf geht der Titel einer Ausstellung zurück, die seit Mitte Oktober im Berliner Antikriegsmuseum zu sehen ist. Gezeigt werden »militarismuskritische Bildmontagen«, wie es im Untertitel des vom Bremer Friedensforum herausgegebenen Katalogs heißt. Angefertigt hat sie der Politikwissenschaftler, Schriftsteller und Künstler Rudolph Bauer.

Der nehme, schreibt Hartmut Drewes dazu einleitend, die Tradition jener Maler und Graphiker des 20. Jahrhunderts wie Käthe Kollwitz, Otto Dix oder Pablo Picasso auf, die den Krieg anklagten, indem sie seine Schrecken darstellten. In Bauers Arbeiten fänden sich aber neben »den Schnitzeln aus dem militärischen Bereich Bilder, Worte und Textfragmente aus Politik, Historie und Kunst«. Besonders falle das aus Modemagazinen Ausgeschnittene ins Auge, was Bauer mit der Formel fasse: »Mode und Morde«.

Tatsächlich beschäftigen besonders die neuesten Verpackungen des industrialisierten Mord- und Totschlaggeschäftes die gestalterische Phantasie des Autors der Collagen. Die Relativierung durch »Normalisierung«, die Einbettung nicht nur von Journalisten in Feldzüge, sondern die Darstellung von Militär und Töten als Job oder Betrieb wie »jeder andere«, so kürzlich wieder Kriegsministerin Ursula von der Leyen, sowie die dafür genutzten PR-Plattheiten sind offenkundig die wichtigste Anregung für die Arbeiten.

Einige Titel sagen deutlich, was der Betrachter zu sehen bekommt: »Sexy Tanker«, »Vereinbarkeit von Tötung und Familie«, »Alice im Wonderbra«. Andere sprechen den offiziellen Zynismus aus, etwa wenn eine Arbeit zu Guantanamo Bay die Erläuterung erhält: »Wir führen keinen Countryclub«. Andere lassen den Atem stocken: Auf »Erschießung« richtet ein Soldat eine Pistole auf den Kopf eines jungen Mädchens. In einigen Bildern konstrastiert ein Text aus Zeitungen oder Zeitschriften mit Objekt oder Figur, die hinzugefügt wurden. Etwa wenn sich in »Nicht ohne Schutzweste« Ursula von der Leyen ein Korsett von anno Tobak anlegt mit einem jW-Text als Hintergrund. Ähnlich bilden Ausschnitte aus der Neuen Zürcher oder dem Spiegel zentrale Bestandteile solcher Stücke.

Immer wieder aber treten Insignien des Militärs – schwere Handfeuerwaffen, Panzer, Kampfflugzeuge (»Goldene Nasen«) – und Bilder aus vergangenen Kriegen, die wieder gegenwärtig sind, zusammen mit Models beiderlei Geschlechts, vor allem aber Frauen, in den Vordergrund. Krieg ist nicht mehr mit Appell an Vaterland, an Nation oder Volk verbunden, sondern mit modisch gekleideten jungen Leuten. Der Tod auf dem Schlachtfeld grinst nicht mehr nur als Gerippe, er lächelt leer wie auf dem Laufsteg.

Bauer schreibt im Katalog zu seinen Arbeiten: »Je mehr das digitale Bild an ihre Stelle tritt, werden analoge Bildmontagen zum Anachronismus.« So gesehen, seien sie »künftige Fundstätten für die Archäologie des Öffentlichen und Alltäglichen von heute«. Das wäre zu hoffen. Hier und jetzt klären aber seine Arbeiten auf, erschrecken, verunsichern. Hoffentlich heilsam.