Das neue Buch von Rudolph Bauer ist stimmgewaltig
Von Herbert Becker
Der Bremer Künstler und Schriftsteller Rudolph Bauer hat seinen mittlerweile 9. Gedichtband vorgelegt. Bauer, Jahrgang 1939, war in seinem Brotberuf Wissenschaftler, er lehrte und forschte als Professor für Wohlfahrtspolitik und Soziale Dienste bis 2002 an der Universität Bremen. Daneben war und ist er – viel zu wenig bekannt – künstlerisch aktiv. Die neue Veröffentlichung ist schon als Fakt selbst zu würdigen, denn die Aussicht auf größere mediale Öffentlichkeit und noch viel mehr auf ein wirtschaftliches Ergebnis ist sicherlich gering. Diese Tapferkeit gegenüber den widrigen Umständen, was Aufmerksamkeit für Lyrik, besonders solche, die mit Fug und Recht als „politische Lyrik“ zu bezeichnen ist, soll vorneweg gelobt werden.
Schon der Titel des neuen Buches ist ein deutlicher Fingerzeig: Von Otto Nebel, einem Künstler der frühen Moderne, gibt es ein Buch mit dem Titel „Unfeig. Eine Neue-Runen-Fuge, zur Unzeit gegeigt“. Daran erinnert Rudolph Bauer und verweist gleichzeitig mit seinem Lyrik-Band auf Kontinuitäten humanistischer, demokratischer Kunst in Deutschland. Sein Band trägt den Titel „Zur Unzeit, gegeigt“ und den Untertitel „Politische Lyrik und Bildmontagen“. Auf rund 150 Seiten versammelt er kurze und längere Gedichte und verteilt im ganzen Buch eine Reihe von Bildmontagen und Collagen, die nicht verstanden werden sollten als schmückendes Beiwerk, sondern einen eigenständigen, sehr aussagekräftigen Gehalt haben. Die Haltung von Rudolph Bauer ist klar und deutlich: Man kann nicht schweigen, wenn Mord, Kriegsgefahr, Unterdrückung und Ausgrenzung zum alltäglichen Geschäft der Herrschenden in den imperialistischen Staaten gehören. Es mag sich zwar resignativ anhören, wenn er im Gedicht „Unser Schwert“ schreibt „eine stumpfe klinge ist das lied/verwundet nicht warnt/dass uns gefahren drohen/durch drohnen“ oder auch „ein schreckschuss ist der song/nur eine warnung ist er/ dass wir etwas furcht kriegen/vor kriegen“. Dagegen hält er selbst, wenn er im Text „Kunst, Wahrheit und Politik“ sagt „den kolossalen widrigkeiten/zum trotz sind unbeirrbar wir jedoch/entschlossen die wahrheit/auszusprechen die wahrheit zwingend/wieder herzustellen die würde/des menschen“. Rudolph Bauer nimmt das Kampfwort „Aufstehen“ ernst, wenn er im gleichnamigen Gedicht deutlich wird „die privatisierung kennt keine grenzen/zur ware wird nunmehr alles selbst/wissenschaft kunst und kultur/geplündert wird der planet“. Den Zorn alter, weisser Männer, der ja gerne abgetan wird als hilfloses Wüten und Verweisen auf frühere Kämpfe, vermag der Rezensent nicht zu spüren, wenn Bauer im Text „Eine Zeitungsnotiz lesen“ aufmerksam macht „in frankreich haben lese ich die aktivisten/mit barrikaden den haupteingang von/blackrock der finanzhyäne abgesperrt/singend die lieder ihrer gewerkschaft“ und abschließend die Morgenröte benennt mit den Worten „geschichte steht nicht still und sie ver/harrt nicht auf den abstellgleisen weil/nichts so bleiben können wird wie es/gewesen das lehrt uns die geschichte“. Unverständlich bleibt für den Autor dieser Zeilen, warum Bauer einen Text „Kein Blut für Öl“ in Form und Rhythmus dem bekannten Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan nachempfunden hat. Das singuläre Ereignis des millionenfachen Mordes in Auschwitz ist nicht so ohne weiteres gleichzusetzen mit den Kriegen und der Gewalt, die mit der Ausbeutung der Bodenschätze durch Konzerne und ihre Regierungen einhergehen. Zeilen wie „schwarzes gold der wüste sie schlürfen dich abends/sie schlürfen dich mittags der tod ist ein meister/der nato“ sind eher bemüht und weniger gekonnt.
Eigenständig und doch integriert in die Gesamtkomposition des Bandes wirken die Bildmontagen und Collagen, die Rudolph Bauer geschaffen hat. Sie stehen in der Tradition von Künstlern wie John Heartfield, seine Ausschnitte bekannter Pressebilder mit verstörend wirkenden Bearbeitungen durch das „Montieren“ nicht dazugehöriger, aber deshalb umso passender fremder Bilder und Fotos zeigen Rudolph Bauer auch als Meister dieser künstlerischen Techniken. Diesem Teil des Buches sei gewünscht, dass Galerien oder Museen eine Ausstellung damit machen würden und viele Besucherinnen und Besucher einen Zugang zu diesen Arbeiten bekommen könnten. Auch wenn viele davor zurückschrecken, einen Gedichtband in die Hand zu nehmen, hier sei eindringlich empfohlen, den Band von Rudolph Bauer aufmerksam zu lesen und zu sehen.